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Rückblick: Von Musik leben

Über faire Erlösmodelle in der Musikwirtschaft diskutierten über 80 Akteur*innen der Musikbranche u.a. mit NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart auf Einladung von Landesmusikrat NRW und CREATIVE.NRW am 12. November in Düsseldorf. Die Teilnehmer*innen auf dem Podium waren sich einig darin, dass eine national gut umgesetzte EU-Urheberrechtsrichtlinie dazu führen muss, dass die Musiker*innen an den Erlösen der Internet-Plattformen angemessen beteiligt werden.

Dorette Gonschorek

Fotos: Thomas Ahrendt

Weitgehend herrschte Einigkeit unter den musikalisch Kreativen und den Musikbranchenvertreter*innen im Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf: Im Internet sind die musikalisch Kreativen oft von den Erträgen ihrer Arbeit nahezu abgeschnitten. Doch nach einer dreistündigen Folge von kurzen Impulsvorträgen und Fachdiskussionen zeigten sich unterschiedliche Einschätzungen, wie darauf zu reagieren sei: Brauchen wir vor allem Regulierungen des Marktes, oder können auch Experimente mit neuen, niedrigschwelligen Bezahlsystemen ein Teil der Lösung sein, um den Kreativen eine fairere Beteiligung an der Nutzung ihrer Musik im Internet zu sichern?

Neben Prof. Dr. Andreas Pinkwart und Moderator Peter Grabowski nahmen Fachleute wie der Komponist und Vizepräsident des Landesmusikrats NRW Matthias Hornschuh, der Komponist Anselm Kreuzer und die Label-Managerin Dorette Gonschorek an den Diskussionen teil. Der Minister merkte an, dass die Digitalisierung den Vorteil habe, dass man mit vergleichsweise geringen materiellen Ressourcen produzieren und theoretisch ein globales Publikum erreichen könne. Diese niedrige Markteintrittsschwelle führe dazu, dass kreative Inhalte in schier unendlichem Umfang entstehen. Doch wer ordnet den Markt? Die alten Player, die Verlage und Labels, könnten den Markt nicht mehr ordnen, so Hornschuh, da durch die mangelnden Durchsetzungsmöglichkeiten der gegenwärtigen Rechtslage bis hin zu deren teilweiser Missachtung keine realistischen Möglichkeiten mehr bestünden, im Markt für eine faire Beteiligung zu sorgen. 

Dass die elektronische Popmusik zwar durch Plattformen wie YouTube eine große Reichweite erfahren habe, die Musiker*innen aber praktisch nicht an den erzielten Erlösen beteiligt seien, hatte zuvor Michael Mayer vom Kölner Kult-Label Kompakt in seinem Impuls eindrucksvoll dargelegt. Der Musiker und Songwriter Christopher Annen beschrieb, dass auch eine erfolgreiche Band mit Charthits und ausverkauften Tourneen wie AnnenMayKantereit Schwierigkeiten mit unberechtigter Nutzung ihrer Musik hat. Mit einem Plus von jährlich ca. 40 Prozent im globalen Umsatzwachstum des Musikmarktes ist Streaming ein Marktantreiber, zudem mit einem Umsatzanteil von 38 Prozent die größte digitale Erlösquelle der Branche. Die Ausschüttungen für die einzelnen Kreativen bleiben aber gering. Als Hoffnungsträger könnte sich der Streaming-Dienst Deezer erweisen. Er schlägt mit dem „User Centric Payment“ ein nutzerbasiertes Abrechnungsmodell vor, das eine fairere Abrechnung möglich machen soll, wie Richard Wernicke, Head of Content bei Deezer, ausführte.

Das Problem besteht darin, dass diejenigen, die den Markt schrumpfen lassen, nicht in die Pflicht genommen werden, die Erlöse in den Markt zurückzuführen, kritisierten Mayer, Hornschuh, Kreuzer sowie auch Reinher Karl, Justitiar des VUT, der in seinem Impuls die juristischen Rahmenbedingungen des Markts und die Komplexität der Lizenzierung erläuterte. Hornschuh folgerte daraus: „Wir müssen ermöglichen, dass musikalische Arbeit – ebenso wie etwa Journalismus – auch künftig in der Gesellschaft noch auf professionellem Niveau möglich ist.“ Und Anselm Kreuzer ergänzte: „In der Tat bedeutet die Demokratisierung der Musikproduktion eine größere Unabhängigkeit von den alten Gatekeepern; doch es gibt neue, mächtigere – und die übernehmen ohne einen bindenden Rechtsrahmen keine Verantwortung für die Vergütung der genutzten Inhalte.“ Dorette Gonschorek sieht die Priorität darin, dass Nutzer*innen lernen müssen, dass Musik etwas wert ist. Pinkwart schloss sich Gonschorek an und betonte, dass einer Debatte über den Wert von Content Priorität eingeräumt werden muss.

Die Veranstaltung wurde vom Landesmusikrat NRW in Kooperation mit CREATIVE.NRW und dem KomKuK – Kompetenzzentrum Kultur- & Kreativwirtschaft der Wirtschaftsförderung Düsseldorf durchgeführt sowie vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW gefördert.